Chäferlifangis, 20 Jahre später
Ein zweiter, lohnenswerter Blick auf Starship Troopers.

Paul Verhoeven war lange nicht auf meiner Filmagenda, unbewusst. Bis zu einer Podcast-Episode von “Triple Click”, in der Moderatorin Maddy Myers begeistert von ihrer Verhoeven-Filmrevue erzählte. Philip K. Dick war mir ein grösserer Begriff als Verhoeven, und so gab ich “Total Recall” (1990) und der steirischen Eiche eine Chance. Mit der (sehr späten) Erkenntnis: “Starship Troopers” (1997) stammt ebenfalls von Verhoeven.

Aha. Vor vielen, vielen Jahren in einem dunklen Keller fern jeder Alterslimite und Schlafenszeit gesehen, ist ausser Käfern und Kämpfen nicht viel in Erinnerung geblieben. Damals machte der Film vor allem Schlagzeilen wegen seiner Gewaltdarstellung; zusammen mit dem grossen roten “18” auf dem Cover die Qualitätsgarantie für Filmnächte.

Kürzlich flatterte eine spannende Replik von Joy George in meinem RSS-Reader vorbei, die “Starship Troopers” als Satire auf den Faschismus besprach.1 Damals um 2 Uhr früh war das kein Thema, doch mittlerweile ist mein filmisches Wissen so weit gewachsen, dass mir Leni Riefenstahl auch kinematographisch ein Begriff ist.2

Ich musste den Käfern nochmals einen Besuch abstatten, sehen, inwiefern Verhoeven die Bildsprache von Riefenstahl zitiert, um eine faschistische Gesellschaft zu zeigen und zu kritisieren.

Ich wurde nicht enttäuscht.

“Starship Troopers” ist, wie auch George argumentiert, unangefochten eine beissende Satire auf den Faschismus. Wir Zuschauerinnen erhalten einen kunstreichen und künstlichen Propagandafilm vorgesetzt, der uns eine ideale Gesellschaft vorspielt: Perfekt aussehende Teenager, College-Liebeleien, Karriereträume in überbelichteter Alltagswelt. Die Sterne sind nah, wenn du dich nur genügend anstrengst, und das Fräulein gibt’s obendrein noch dazu.

Wir bestaunen aus dramatischer Untersicht in die Ferne blickende Kämpfer (Hallo, Leni), schauen ihrem Gleichschritt zu, nur Ledermäntel und Fahnensymbolik verbreiten vertraute Ungemütlichkeit. Riefenstahls Ästhetik prägt die Kriegsfilme bis heute, wie mir plötzlich während der zweiten Seh-Tour auffiel. Mittlerweile sind auch “Apocalypse Now” (1979) und “Full Metal Jacket” (1987) in meinem Film-Arsenal, und ich erkannte, wie sich in “Starship Troopers” die Ästhetik Riefenstahls mit Coppolas bzw. Kubricks überlappt und an ihnen bricht. Die beiden Klassiker der Anti-Kriegsfilme erzählen die Grausamkeiten des Vietnamkrieges, dem ersten medial inszenierten Krieg - und natürlich wird auch die Invasion auf Klendathu live übertragen bis zum bitteren Ende.

Für uns Zuschauende explodiert das Grauen spätestens mit dem ersten Todes(zu)fall, wächst mit jeder weiteren verlorenen Gliedmasse und jeder weiteren Toten. Während die Lebenden langsam ihre Menschlichkeit und Empathie verlieren, verlieren wir als Zuschauerinnen immer mehr den Glauben an die präsentierte Gesellschaft. Immer krampfhafter scheint die Kamera uns diesen Glanz des Regimes verkaufen zu wollen (“Would you like to know more?”), bis die Figuren selbst zu Protagonist:innen eines Propagandafilms werden. Glanz und Gloria kehren sich in Grauen und Grausamkeit um - und Mitleid. Als gegen Schluss in der Käferhöhle die kleinsten Käfer plötzlich herumwuseln, kam mir plötzlich der Gedanke: Ach, die sehen wohl zum ersten Mal im Leben diese komischen zweibeinigen Wesen mit porösem Panzer. Und plötzlich fragte ich mich: Wir sehen einen entmenschlichten Gegner, der uns vernichten will - und was sind wir bloss aus ihrer Sicht? Verhoven gelingt es meisterhaft, im Verlauf von “Starship Troopers” unseren Blick auf die dargestellte Welt massgebend zu verändern, lässt uns hinterfragen, was jenseits der Propagandaglanzwelt liegt.

Und die Gewalt?

Viele Kill Bills, Sin Citys, John Wicks und Blue-Eyed Samurais später ist mir auch die ästhetische Filmgewalt ein Begriff. “Starship Troopers” würde heute kaum zu einer derartigen Aufruhr führen wie 1997, genauso wenig wie “Doom”-Pixelblut heutige Eltern noch ohnmächtig werden lässt.

Wahrscheinlich werde ich den Film noch ein weiteres Mal sehen, denn wie Verhoeven Licht einsetzt, ist mir erst beim Schreiben hier aufgefallen: Grelles Fernsehlicht auf der Erde kontrastiert mit dunklen Nachtaufnahmen, heller Wüstensonne und künstlichem Raumschiff-Interieur.3 Was das zu bedeuten hat? Sicher ein weiterer Blogpost.

Bildquelle: Screenshot, Youtube/Flix & Clips

Diesmal geht’s nicht um Bug-Bounties - merci ant0inet für die Inspiration zum “Chäferlifangis”-Titel!


  1. Vermutlich ist auch “Starship Troopers” wegen “Helldivers 2” wieder im Gespräch. ↩︎

  2. Mehr zu Leni Riefenstahl hier z.B. zu ihrem 20. Todestag↩︎

  3. Danke für den Lichtblick, Robby Müller↩︎


Last modified on 2024-03-08

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