Freitage waren zu meinen Zeiten als IT-Journalistin immer meine liebsten Tage, ein Fixpunkt im Arbeitsalltag und Wochenrhythmus. Freitags war Podcast-Tag, der Tag für den Digital Podcast (ohne Bindestrich). Digital Podcast machen hiess, einzelne Blumen-Beiträge der Woche zu einem bunten Strauss zusammenzulegen und mit einer Moderation zu verbinden, manchmal alleine, manchmal zu zweit. Manchmal monothematisch-einfarbing, manchmal blumenwiese-vielfältig, aber immer kreativ und abwechslungsreich.
Podcast-machen hiess auch, sich mit aufwändigen, selbst-gestrickten Arbeitsprozessen herumzuschlagen. Wer wusste vor zehn Jahren in der Schweiz schon, was ein Podcast ist? Es bedeutete, mit hakeligen Tools zu hantieren und zu hoffen, am Samstag nicht nochmals ins Studio zu müssen, weil das Backend die Dateigrösse nicht geschluckt hatte - und Hörer:innen nach der neusten Freitagsfolge fragten. Es hiess, in direktem Kontakt mit treuen Hörerinnen und Hörern zu stehen, Mails zu erhalten mit ehrlichem Feedback und aufmerksamen Korrekturen. Nicht Audio zu machen für 100'000 namenlose Leute jenseits des Äthers, sondern für echte Personen, die einem am Herzen lagen. Es war lustvolles Improvisieren auf hohem Niveau.
Von allen Audioformaten war mir der Digital Podcast am liebsten: Themen ausführlich besprechen, die ich in zwei bis vier Minuten Sendeglück sonst nur streifen konnte. In unserer alltäglichen Arbeit baute ich Brücken zwischen “uns”, den Nerds der Digital-Redaktion, und “allen anderen”, denen wir beibringen mussten durften, dass IT in ihrem Leben zufälligerweise relevant ist. Der Podcast hingegen bot Platz zum “Rumnerden” und genüsslich alle sonst verbotenen Wörter (“Méline, das isch imfall zu technisch”) zu verwenden, ohne sie gleich erklären zu müssen.
Als Format ermöglichte der Digital Podcast Experimente, Wort- und Tonmalereien, und zu aussergewöhnlichen Jahreszeiten auch aussergewöhnliche Ausgaben. So ersetzte ich etwa für eine Weihnachtsfolge gerne die üblichen Trennertöne einfach mal durch Weihnachtsmusik. Während der sommerlichen Ferienabwesenheit der restlichen Redaktion übersetzte ich spontan das Wetter in hörbare 35 Grad. Digital Podcast machen hiess, kreativ zu texten, kreativ zu vertonen und vor allem weniger auf die Uhr schauen zu müssen: Zwischen fünfzehn Minuten und über einer Stunde war alles möglich.
Adiö: 7.7.2006 - 31.1.2025
Das ist vorbei. Digital Podcast: 7. Juli 2006 - 31. Januar 2025. Das Ende einer Ära, knapp 1000 Folgen, knapp 20 Jahre. Mit ihr endet ein wichtiger Pfeiler der Schweizer IT-Berichterstattung. Wer sonst deckt gezielt die Schweizer IT-Szene ab, unabhängig, nach publizistischen Leitlinien und mit journalistischen Werten? Wer interviewt die erste Programmiererin der Schweiz und widmet ihr ganze 40 Minuten?
Natürlich: Die digitale Landschaft der Schweiz hat sich seit 2006 stark verändert. Mussten meine ehemaligen Kollegen zu Beginn noch erklären, was ein “YouTube” ist, sitzen heute Fintech-Expertinnen in der Wirtschaftsredaktion. Die IT hat sich diversifiziert und durchdringt nun alle Gebiete, so dass Universalgenies für “Das Digitale” an Bedeutung verloren haben. Trotzdem: Mit dem Schritt hat sich SRF entschieden, keinen dezidierten Kanal mehr für die IT-Berichterstattung anzubieten. Was rechtfertigt denn einen “Trend” für “Die Wirtschaft” und das “Wissenschaftsmagazin” für “Die Wissenschaft”? Und wohin gehört jetzt “Die IT”? Irgendwo reingequetscht unter ferner liefen.
Adiö, Digital Podast: Ich bin voller guter Erinnerungen und stolz, Teil dieser Ära gewesen zu sein. Und ich werde die wöchentlichen Stimmen meiner ehemaligen Kollegen vermissen. Guido, Peter, Jürg, Reto, Tanja - danke.
Links und Erklärungen
Ankündigung im Podcast, 6.12.2024 : Eine Ära geht zu Ende
Auf dem Discord-Server von SRF Digital erklärt Guido Berger das Ende so:
Bildquelle: Nightcafé/Crystal Clear XL
Last modified on 2024-12-14
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